Fanbase-Wochenende in Reykjavik (Teil 2)

Als wir am Sonntag nach dem Frühstück gegen 9 Uhr von unserem Hotel in Richtung Naturkundemuseum „Perlan“ aufbrachen, begann es im Osten gerade langsam zu dämmern – Sonnenaufgang war erst eine Stunde später um 10 Uhr. Der Himmel war größtenteils klar, und das Wetter versprach besser als am Vortag zu werden.

Unser Weg führte direkt an der „N1 höllin“ vorbei, wo am späten Nachmittag um 17 Uhr das Spiel beginnen würde. Die Valur-Sporthalle für 1.800 Zuschauer bildet mit der Tribüne des angrenzenden Fußballstadions eine architektonische Einheit – so ist der VIP-Raum für Handball- und Fußballspiele gleichermaßen nutzbar und hat Fenster zu beiden Seiten.

Der Name „höllin“ hat übrigens nichts mit „Hölle“ zu tun (Beispiel „Hölle Nord“ in Buxtehude), sondern bedeutet auf isländisch tatsächlich einfach nur „Halle“.

Von dort war es nicht mehr weit bis zum interaktiven Naturkundemuseum „Perlan“, das auf einem Hügel liegt und in die sechs Tanks eines ehemaligen Warmwasserspeichers integriert wurde. Wir näherten uns von der Rückseite:

Der Begriff „Museum“ ist für „Perlan“ – eine der Hauptattraktionen Reykjavíks – eigentlich irreführend, „Multimedia-Show zur Wissensvermittlung“ trifft es besser. Zum Beispiel gibt es für alle, die es in den Sommermonaten nicht bis in die Westfjorde schaffen, eine naturgetreue Nachbildung der Vogelklippen von Látrabjarg, des größten Vogelfelsens Europas:

Weitere Highlights sind zwei Multivisions-Filme über Vulkanismus – beim zweiten, der brandneu ist und noch gar nicht beworben wird, taucht man zunächst 2.000 m ins Erdinnere ab und wird dann mit der glühenden Lava buchstäblich wieder „ausgespuckt“ – spektakulär! Anschließend kühlten wir uns in der Gletschereishöhle bei -10 bis -15°C ab (schicke HSG-Mütze, Thomas!):

Von der Dachterrasse überblickt man die ganze Stadt – besonders gefiel uns die Aussicht nach Norden mit den Bergen im Hintergrund (das linke der drei Hochhäuser war übrigens das Mannschaftshotel der HSG).

Zum Abschluss gab es im Planetarium noch die leicht mystisch angehauchte Nordlicht-Show mit tollen Aufnahmen zu sehen.

Fazit: Ein Besuch in „Perlan“ lohnt sich. Noch schnell ein Foto von der Vorderseite mit dem Haupteingang, bevor wir uns auf den Rückweg zu unserem Hotel machten:

Unterwegs kamen wir in einem kleinen Park an einer Kuh aus Holz vorbei, die auch unbedingt aufs Bild wollte:

Wir lagen gut in der Zeit, und weil das Wetter inzwischen richtig sonnig geworden war, drehten wir eine kleine „Extrarunde“ zur Skulptur „Sun Voyager“, am Wasser entlang bis zum Konzerthaus „Harpa“.

Auf dem Rückweg durch die Fußgängerzone „Laugavegur“ holten wir uns leckere Sandwiches in einer Bäckerei, dann radikalisierten wir uns und spazierten anschließend langsam zur „N1 höllin“.

Die Halle war bei unserer Ankunft schon geöffnet, und wir wurden auch hier wieder sehr freundlich begrüßt. Die demontierbaren Sitzreihen auf den ausziehbaren Tribünen waren etwas wackelig, und manche Plätze auf den abgesperrten Hintertor-Tribünen sahen aus, als ob dort der Co- Trainer eines thüringischen Frauenhandball-Erstligisten gesessen hätte, aber uns gefiel vor allem das großzügige Platzangebot im Foyer. Und dank des Hallen-DJs von Valur weiß man jetzt auch in Island, wie die Mutter von Niki Lauda heißt!

Ob hinter den unterschiedlichen Größen der Nationalflaggen ein tieferer Sinn steckte, entzieht sich unserer Kenntnis:

Für deutsche Verhältnisse undenkbar: Die Valur-Spielerinnen mussten für die Kosten ihrer European League-Teilnahme selbst aufkommen. Dazu gab es im Vorfeld verschiedene Aktionen, unter anderem wurden neben „normalen“ auch fünfmal so teure „Unterstützer-Tickets“ verkauft, und zwei Tage vor dem Rückspiel gab es mittags im Sporthallen-Foyer „Europa-Schnitzel“, deren Erlös ebenfalls der Mannschaft zu Gute kam. Für uns HSG-Fans war ein ganzer Block freigehalten und mit Flatterband abgesperrt worden. Mit nur 382 Zuschauern war das Spiel nicht gerade gut besucht – aber unser Block füllte sich, vor allem dank der Familien und Freunde unserer drei Isländerinnen und Familie Leidt aus Blomberg. Am Ende hatten sich dort über 20 HSG-Supporter versammelt, viele sogar schon in den neuen Trikots dieser Saison.

Beide Mannschaften standen bereit, es konnte also losgehen. Élin wurde beim Einlaufen an ihrer alten Wirkungsstätte von den Heimfans mindestens so laut begrüßt wie die aktuellen Valur-Spielerinnen.

Irgendwie schien die HSG zu Spielbeginn noch nicht so ganz auf dem Platz zu sein, denn schnell stand es 3:0 für die Heimmannschaft, und erst in der 8. Minute kam Blomberg durch Diana zum ersten Treffer. Nach 16 Minuten stand es 6:6 Unentschieden, und genau wie im Hinspiel in Blomberg konnte sich die HSG danach mit einem 5:0-Lauf bis zum 6:11 absetzen. Leider endeten damit aber die Gemeinsamkeiten zwischen Hin- und Rückspiel, denn weiter als auf fünf Tore ließ Valur die HSG diesmal nicht davonziehen. Zum Seitenwechsel führten die Gäste aus Blomberg mit 10:14. Bei den Isländerinnen lief wieder viel über die zwei Nationalspielerinnen Lovísa Thompson und Thea Imani Sturludóttir im linken bzw. rechten Rückraum. Auch Valurs Torhüterin Hafdís Renötudóttir zeigte – anders als in Blomberg – diesmal mit insgesamt 17 Paraden, darunter zwei gehaltenen Siebenmetern, ihr ganzes Können. Im Torhüterduell war sie damit klare Siegerin, denn während Nicole in der ersten Halbzeit mit sieben Paraden noch mithalten konnte, bekamen in Hälfte zwei zunächst Melanie und in der Schlussphase Lara nicht mehr oft die Finger an den Ball.

Die Vier-Tore-Pausenführung der HSG hatte in der 38. Minute weiterhin Bestand, doch dann schmolz der Vorsprung wie Gletschereis am Vatnajökull im kurzen isländischen Sommer: Viele leichte Blomberger Ballverluste, Fehlwürfe und technische Fehler führten dazu, dass Valur in der 58. Minute zum 21:21 ausgleichen konnte. Am Ende hätte die HSG das Spiel sogar noch verlieren können, denn weniger als eine Minute vor Abpfiff eroberten die Isländerinnen beim Stand von 22:22 den Ball, vertändelten ihn aber 20 Sekunden vor Spielende wieder vor dem Blomberger Kasten. Im Gegenzug scheiterte die HSG dann noch zweimal an Valurs Torhüterin – es blieb damit beim Unentschieden, das die Heimmannschaft zu Recht wie einen Sieg feierte. Unter dem Strich war der Favorit damit aber locker weitergekommen, und das Spiel sollte man aus Blomberger Sicht einfach schnell abhaken! Nach einem gemeinsamen Foto von Mannschaft und Fans gingen wir langsam zurück Richtung Hotel. Lustig: Zur Feier des Hauptrundeneinzugs wurde an diesem Abend sogar die Hallgrimskirkja in den HSG-Farben blau-weiß-rot angestrahlt – vielleicht sollten es aber auch einfach nur die isländischen Nationalfarben sein …

Auf jeden Fall schmeckte der Hot Dog an der benachbarten Pylsur-Bude gleich doppelt gut!

An diesem Abend war frühes Schlafengehen angesagt, denn am Montag mussten wir schon um 3.45 Uhr auschecken und uns auf den Weg zum Busbahnhof machen, um den ersten Shuttlebus nach Keflavík zu erwischen. Dort trafen wir den größten Teil der HSG-Mannschaft, die denselben Flieger zurück nach Frankfurt nahm wie wir – nur unsere drei Isländerinnen blieben für die WM- Vorbereitung gleich vor Ort. Der Rückflug und die anschließende Rückfahrt nach Blomberg verliefen problemlos. Wir vier hatten eine tolle Zeit in Reykjavík, haben dort in der kurzen Zeit viel gesehen und erlebt und außerdem sehr gut gegessen – so kann die European League-Saison weitergehen!

Text und Fotos: Uwe Jakob