Das Meisterstück von Metzingen

Auswärtsspiel im EHF-Pokal gegen die TuSsies

Nur drei Tage nach dem Unentschieden in Oldenburg stand für die HSG am 16. November zum Abschluss von zwei „Englischen Wochen“ das fünfte und letzte November-Spiel innerhalb von 16 Tagen auf dem Programm: das Rückspiel in der dritten EHF European League-Qualifikationsrunde bei den „TuSsies“ in Metzingen. Das Hinspiel hatte Blomberg bekanntlich mit 30:21 gewonnen und sich im innerdeutschen Duell einen sehr komfortablen Vorsprung erarbeitet. Gerade weil wir beim Auswärtsspiel in Belgrad in der zweiten Quali-Runde nicht dabei gewesen waren, wollten wir diesmal unbedingt unser Team beim letzten Schritt in Richtung Gruppenphase unterstützen und fuhren am Samstagmorgen um 9 Uhr zu siebt mit zwei Trommeln, einer Snare und einer Tröte im Bulli der „Lippischen“ los Richtung Süddeutschland.

Wir freuten uns besonders auf das erneute Wiedersehen mit Nele Franz, die bekanntlich seit dieser Saison eine „TuSsie“ ist und die uns auf unsere Nachfrage schon vor der Fahrt eine Metzinger Pizzeria empfohlen hatte. Unser erstes Ziel war aber wieder die „Outlet City“ und hier speziell die beiden Shops von Haribo und Lindt, die wir schon in der letzten Saison „heimgesucht“ hatten und deren Umsatzzahlen wir auch diesmal nicht unwesentlich in die Höhe getrieben haben. Anschließend meldete sich dann doch der Hunger, aber Neles Tipp war leider schon komplett ausgebucht. Deshalb kehrten wir wie in der letzten Saison in einem deutschen Restaurant am Marktplatz zu Suppe, Schnitzel oder Maultaschen ein. Von dort ging es dann zur Öschhalle, die noch gar nicht geöffnet hatte. Also machten wir erst mal ein paar Fotos und begrüßten den „HSG-Express“ bei seiner Ankunft mit unserer Mannschaft. Anders als in der Vorsaison bekamen wir diesmal sehr schöne Haupttribünen-Plätze direkt am Spielfeldrand – allerdings war die Öschhalle damals auch so gut wie ausverkauft gewesen, während an diesem Samstagabend gerade mal 320 Zuschauer den Weg in die Halle gefunden hatten. Darunter waren auch einige weitere HSG-Fans: Unsere Torhüterin Zoe hatte familiären Support aus der Heimat bekommen.

Wie drei Tage zuvor in Oldenburg suchten wir auch in Metzingen vergeblich nach einem gedruckten Hallenheft – die gibt es bei beiden Clubs inzwischen nur noch digital zum Download, schade eigentlich! Genau wie die HSG ist auch der TuS Metzingen ein sehr familiärer Verein: So wurde der Spielball von Levi, dem kleinen Sohn von Metzingens langjähriger Kapitänin und 105-fachen Nationalspielerin Marlene Kalf, mit einem Tretauto zum Anwurfkreis gebracht. Was wir – die wir die Schiedsrichterleistungen in der Bundesliga öfter mal mit wohlmeinenden Ratschlägen konstruktiv begleiten – auch unbedingt erwähnen möchten: Die beiden jungen dänischen Unparteiischen leiteten das Spiel völlig unauffällig und souverän, ebenso wie ihre zwei norwegischen Kollegen das Hinspiel in Blomberg. Wer international pfeifen darf, besitzt doch noch mal eine andere Qualität.

Das Spiel begann zäh und torarm – nach 11 Minuten stand es gerade einmal 3:3. Nach einem HSG-Dreierpack verpuffte die erste Metzinger Auszeit ohne jegliche Wirkung und was dann in der zweiten Hälfte der 1. Halbzeit auf dem Spielfeld passierte, konnten wir kaum glauben: Bei den Blombergerinnen klappte einfach alles, sie erzielten vorn Tore nahezu im Minutentakt und profitierten dabei oft von Ballverlusten der Tussies im Angriff, die gegen die HSG-Abwehr und Melanie im Tor einfach keine Mittel fanden. Wo blieb die erwartete Metzinger Aufholjagd? Nach noch nicht mal 20 Minuten nahm deren Trainer Peter Woth schon seine zweite Auszeit – auch sie änderte nichts an der Blomberger Überlegenheit. Steffen konnte früh mit dem Durchwechseln anfangen und Ida bedankte sich noch vor der Pause gleich mal mit einem Doppelpack. Nach 30 Minuten stand ein nie für möglich gehaltenes 7:20 auf der Anzeigentafel – in der Pressekonferenz nach dem Spiel sprach Steffen dann auch von einer fast perfekten ersten Halbzeit der HSG. Zu diesem Zeitpunkt stand das Weiterkommen im europäischen Wettbewerb längst außer Frage – die Tussies hätten in den verbleibenden 30 Minuten 23 Tore gegenüber der HSG aufholen müssen!

Dass sie zumindest den Versuch dazu unternahmen und in der 2. Halbzeit völlig anders auftraten, spricht für die Einstellung der Metzingerinnen. Gegen eine HSG, die angesichts der mehr als deutlichen Führung nun plötzlich überhaupt keinen Zugriff in der Abwehr mehr fand, gelang ihnen ein 7:0-Lauf vom 9:22 bis zum 16:22. Das Spiel komplett aus der Hand geben wollte Steffen aber doch nicht: Er nahm nach 40 Minuten eine Auszeit und brachte Nieke und Laetitia zurück auf die Platte. Dadurch stabilisierte sich die Abwehr und es wurde nun auch vorn wieder getroffen. Von da an pendelte der HSG-Vorsprung bis zum Spielende zwischen fünf und neun Toren. Den Schlusspunkt unter ein historisches Spiel setzte Diana mit einer für sie typischen Energieleistung: Nur wenige Sekunden nach dem Metzinger 27:34 erzielte sie quasi mit dem Abpfiff noch schnell den Endstand von 27:35. Am Ende hatten alle elf HSG-Feldspielerinnen mindestens einen Treffer erzielt – beste Schützinnen waren Nieke und Ona mit jeweils sechs Toren.

Der Blomberger Jubel auf dem Feld, der Bank und in unserer Tribünenecke kannte keine Grenzen – schade nur, dass dieses Spiel für die daheimgebliebenen HSG-Fans nirgends übertragen oder gestreamt wurde! Wir gratulierten unserem siegreichen Team, machten noch ein gemeinsames Foto und verabschiedeten uns von Nele. Anschließend wurde unser Bulli kurzerhand für ein spontanes „Late Night Shopping“ der HSG-Geschäftsführung zum Ausweiten des Getränkeangebots im Mannschaftsbus (die Rückfahrt von Metzingen nach Blomberg ist bekanntlich lang …) zweckentfremdet. Danach machten wir uns langsam auf den Heimweg und passierten – mit einer Pause unterwegs – schließlich gegen 3:30 Uhr nachts kurz hinter Steinheim wieder die lippische Grenze. Unser aller Dank gilt unseren Fahrern Axel und Katrin!

Damit hat die HSG den erfolgreichen Oktober im November tatsächlich noch mal getoppt, trotz des überaus knackigen Programms in fünf Spielen gegen namhafte Gegner nur einen einzigen Punkt abgegeben und neben dem Pokal-FinalFour in Stuttgart auch erstmals die Gruppenphase in der EHF European League mit sechs weiteren internationalen Spielen erreicht. Ob es sich dabei wirklich um den größten Erfolg der Vereinsgeschichte handelt, wie einige Zeitungen schrieben, ist angesichts der Viertelfinal-Teilnahme im damaligen europäischen Pokalsieger-Wettbewerb 2014/2015 eher zweifelhaft, aber zumindest ist es der größte Erfolg in den letzten zehn Jahren – und wir waren dabei!

Foto: Gunar Fritzsche

Bei einem solchen Flow wie im Moment kommt die EM-Pause eigentlich zum falschen Zeitpunkt. Wir drücken natürlich allen EM-Fahrerinnen der HSG die Daumen, wünschen viel Einsatzzeit und maximalen sportlichen Erfolg ohne irgendwelche Blessuren oder Verletzungen. Besonders freuen wir uns auf das Vorrundenspiel Deutschland-Island am 3. Dezember um 20.30 Uhr. Mal sehen, wie wir das mit unserem monatlichen Fanbase-Treffen am selben Abend unter einen Hut kriegen …! Natürlich blicken wir auch schon voraus auf die kommenden europäischen Aufgaben der HSG und die eine oder andere weitere (im doppelten Sinn „weitere“ …) Auswärtsfahrt. Das einzige, was einem dabei etwas Sorgen macht, ist der verglichen mit anderen Mannschaften in der European League doch recht kleine Kader, der im Januar und Februar fast am Stück sechs „Englische Wochen“ absolvieren wird, direkt gefolgt vom Stuttgarter FinalFour. Aber die tolle HSG-Truppe wird auch diesen Kraftakt meistern!

Text: Uwe Jakob, Fotos: Uwe Jakob, Gunar Fritzsche

Nichts zu holen bei den „Tussies“

Auswärtsfahrt nach Metzingen
Mit gut 500 km pro Fahrstrecke ist die Entfernung zwischen Blomberg und der Metzinger Öschhalle die weiteste Auswärtsfahrt der gesamten Saison. Während wir im letzten Jahr nach dem Spiel gegen die „Tussies“ – damals in der nahegelegenen Tübinger Paul-Horn-Arena – noch nachts wieder zurückgefahren waren, hatten wir die Tour diesmal von vornherein als Wochenendtrip mit Übernachtung geplant. In identischer Besetzung wie bei der letzten, erfolgreichen Auswärtsfahrt nach Bensheim (wir hielten das für ein gutes Omen …) starteten wir am Samstag 27.04. um 9 Uhr morgens zu fünft hinter der Blomberger Schießhalle und machten uns mit dem Dux-Bus auf den Weg nach Süden. Unterbrochen von einer kurzen Pause mit leckeren belegten Brötchen (danke Monika!) endete die erste Etappe der Fahrt um kurz nach 14 Uhr vor unserem Hotel in Sindelfingen. Unsere Zimmer waren schon fertig, so dass wir einchecken und uns kurz danach auf die Weiterreise nach Metzingen machen konnten. Hier steuerten wir zunächst die Outlet City an – ein ganzes Stadtviertel, das ausschließlich aus Outlet-Stores überwiegend bekannter Designer-Marken in Bekleidungsbereich besteht. Uns lockten allerdings eher die Läden von Haribo, Lindt & Co. – und wir waren nicht allein: Gerade die vielen ausländischen Besucher der Outlet City schien es geradezu magisch dorthin zu ziehen und sie kauften, was das Zeug hielt, während ein Teil der hochpreisigen Modegeschäfte menschenleer war. Shopping macht hungrig, doch zum Glück reichte unsere Zeit bis zum Anpfiff um 19.30 Uhr noch für Schnitzel, Käsespätzle und Maultaschen auf dem Metzinger Marktplatz. Gut gesättigt verstauten wir danach unsere Einkäufe im Fahrzeug und fuhren zur Öschhalle am anderen Ende der Stadt.

Wie angekündigt bekamen wir vor Ort Verstärkung von „Fanbase-Süd“ Markus Conrady mit Begleitung. Nach längerer Parkplatzsuche und einigem Hin und Her an der Kasse kamen wir schließlich in die mit 917 Zuschauern gut gefüllte Öschhalle. Unsere zugewiesenen Plätze lagen wie in Bietigheim, Neckarsulm oder Buxtehude hinter dem Tor – so langsam gewöhnen wir uns an diesen suboptimalen Blickwinkel! Dafür waren sie auch eine Ecke günstiger als Sitzplätze auf der Haupttribüne, für die in Metzingen fürstliche 22 bis 24 € zu zahlen sind … Das Spiel begann mit einigen Fahrkarten auf beiden Seiten, bevor die Gastgeberinnen nach gut vier Minuten den ersten Treffer der Partie erzielten. Bis zum 4:4 konnte die HSG jeweils umgehend ausgleichen, aber Mitte der ersten Hälfte setzten sich die Tussies nach zwei Pfostentreffern von Laetitia und drei verwandelten eigenen Siebenmetern bis auf 10:6 ab. Unser Team kam zwar in Minute 23 mit einem Gegenstoßtor von Alexia noch einmal bis auf zwei Tore Abstand heran, aber danach häuften sich die Blomberger Fehlversuche und Metzingen führte zur Halbzeit wieder mit vier Treffern.

Noch schien das alles korrigierbar zu sein, doch kurz vor Mitte der 2. Spielhälfte vergrößerte sich der Torabstand dann im Minutentakt und es wurde deutlich, dass diesmal nichts Zählbares aus der Öschhalle mitgenommen würde. Zu allem Unglück trat Ida nach einem Blomberger Angriff einer Gegenspielerin auf den Fuß, knickte dabei um und verletzte sich. In der 50. Minute war die Tordifferenz beim 28:18 erstmals zweistellig – und die Tussies legten bis zum Endergebnis von 33:21 sogar noch eine Schippe drauf. Sie revanchierten sich damit eindrucksvoll für die 29:32- Niederlage im Hinspiel in Blomberg. Alles in allem eine sehr enttäuschende Leistung der HSG mit einer auch in dieser Höhe verdienten Niederlage, denn ein Aufbäumen blieb weitgehend aus. Nur Leni Ruwe, die mit einigen Fehlversuchen in die 1. Halbzeit gestartet war, ließ sich nicht unterkriegen, ackerte in der Abwehr und machte vorn in der 2. Spielhälfte vier schöne Tore. Damit war sie schon beste Blomberger Torschützin des Abends und wurde einige Tage später auch zum „Player of the Match“ gewählt. Die meisten Tore bei den Tussies erzielten Maren Weigel und Viktoria Woth mit jeweils sieben Treffern, auch deren Torhüterin Marie Weiss zeigte mit 17 Paraden und fast 50 % gehaltenen Bällen eine wesentlich bessere Leistung als beide HSG- Keeperinnen. Der ganze Spielverlauf erinnerte fatal an den völlig vergurkten Auftritt bei der Sport- Union Neckarsulm im Januar – auch damals hatte die HSG mit 12 Toren Differenz verloren. Nach Spielende bedankten sich Mannschaft und Trainer bei uns für den Support, auch Ida kam dazu extra von der Bank rübergehumpelt (was wir ihr hoch anrechnen). Wir packten unsere Sachen, hörten uns noch die Pressekonferenz an und machten uns dann auf den Rückweg zum Hotel in Sindelfingen. Dort wurde bei einem Bier das Spiel gedanklich abgehakt, was nicht allen gleich gut gelang.

Am nächsten Morgen brachen wir nach einem ausgiebigen Hotelfrühstück von Sindelfingen Richtung Speyer auf: Im letzten Jahr hatten wir die Auswärtsfahrt nach Neckarsulm am nächsten Tag mit dem Besuch des Technik-Museums Sinsheim kombiniert. Dort hatte es uns so gut gefallen, dass wir uns bei nächster Gelegenheit auch das „Schwester-Museum“ in Speyer ansehen wollten. Während der Schwerpunkt in Sinsheim eindeutig bei Autos liegt, ist man in Speyer breiter aufgestellt und zeigt mehr Fahrzeuge, die schwimmen, fliegen oder auf Schienen rollen können: Auf dem Freigelände stehen nebeneinander ein 1975 gebauter Seenot- Rettungskreuzer, ein U-Boot der Bundesmarine aus dem Jahr 1966 sowie das wesentlich ältere ehemalige Hausboot der „Kelly Family“. Auch eine Vielzahl von Flugzeugen und Hubschraubern kann von außen und teilweise von innen besichtigt werden, darunter der Boeing 747-Jumbo Jet „Schleswig-Holstein“ der Lufthansa – das Gegenstück zum Überschallflieger „Concorde“ in Sinsheim. Ein weiterer Star ist eine sowjetische „Buran“-Raumfähre, die einem amerikanischen „Space Shuttle“ zum Verwechseln ähnelt. Das in Speyer in einer eigenen Raumfahrt-Halle ausgestellte „Buran“-Exemplar hat allerdings niemals einen Orbitalflug absolviert. Ob die vom Designer Colani entworfene LKW-Zugmaschine oder die 100 Jahre alte Schweizer Elektro- Güterzuglokomotive vom Typ „Krokodil“: Auf dem weitläufigen Museumsgelände warten an jeder Ecke neue interessante Entdeckungen. Wie letztes Jahr in Sinsheim reichte auch in Speyer unsere Zeit nicht aus, um überhaupt alle Ausstellungsstücke zu sehen. Nach einer Stärkung im Museums-Restaurant machten wir uns am Sonntagnachmittag auf den Rückweg nach Blomberg. Mal abgesehen vom Ergebnis des Handballspiels war es ein rundum gelungener Wochenendausflug nach Süddeutschland, zumal auch das Wetter an beiden Tagen prima mitspielte: Die einzige Fanbase-Mehrtagesfahrt in dieser Saison wird trotz der heftigen HSG- Klatsche allen Teilnehmern noch lange in guter Erinnerung bleiben.

Text: Uwe Jakob, Fotos Uwe Jakob, Katrin Merz