Punktlandung in Göppingen

Der letzte Besuch der Fanbase in Göppingen war schon ziemlich lange her – etwas über fünf Jahre, um genau zu sein. Dann kam Corona, so dass in der Saison 2020/21 keine Auswärtsfahrten möglich waren, und am Saisonende waren die Frisch Auf-Frauen in die 2. Liga abgestiegen. Doch seit dieser Saison sind sie wieder zurück im Frauenhandball-Oberhaus, und damit konnten wir nach fünf Jahren auch endlich den „für das nächste Auswärtsspiel in Göppingen“ geplanten Besuch im „Märklineum“ in die Tat umsetzen!

Der Weg nach Süden ist weit, deshalb war die Fahrt von Anfang an als Wochenendtrip mit einer Übernachtung angesetzt. Am Samstagmorgen um acht Uhr ging es zu sechst im Bulli der „Lippischen“ los. Nach der traditionellen Frühstückspause mit mitgebrachten Brötchen in einer Raststätte an der A7 führte der letzte Teil der Strecke auf malerischen Landstraßen über die Schwäbische Alb nach Göppingen. Wir steuerten direkt das „Märklineum“ an, wo am Firmenstammsitz die lange und wechselvolle Geschichte des bekannten Göppinger Spielwaren- und Modelleisenbahnherstellers Märklin erzählt wird. Die 1859 gegründete Firma startete mit dem Bau von Puppenküchen; 1891 wurde dann die erste Modelleisenbahn ins Programm aufgenommen. Schon auf dem Parkplatz empfängt eine Original-Dampflokomotive der Baureihe 44 in einer überdimensionalen Märklin-Verkaufsverpackung die Besucher.

In den nächsten zwei Stunden gab es für uns viel zu entdecken: Vor allem natürlich Hunderte von Modellbahn-Lokomotiven und Waggons in verschiedenen Spurweiten – von ganz groß bis ganz klein, denn heute gehören auch die Marken LGB und Trix zur Märklin-Familie.

Daneben erfuhr man auch viel über die Firmengeschichte – wer erinnert sich heute z.B. noch, dass Märklin früher auch funktionierende Modell-Dampfmaschinen aus Blech hergestellt hat? Ist noch gar nicht soooo lange her …

Da wir am Wochenende vor Ort waren, konnten wir leider keinen Blick in die Lokomotiv- Endmontage werfen – das Märklin-Werk schließt direkt an das „Märklineum“ an. Dafür verbrachten wir viel Zeit beim Clou des Museums, der großen Modellbahnanlage im Keller: In einer kleineren Version des Miniatur-Wunderlands in der Hamburger Speicherstadt befinden sich auf 160 m² Fläche im H0-Maßstab 1:87 neben 840 m Modellbahngleisen auch eine Reihe von gut versteckten „Miniatur-Promis“, von der lila Milka-Kuh bis zu Obelix samt Hinkelstein und von Gandalf bis zu Mr. Bean mit seinem legendären, vom Sessel auf dem Dach „ferngesteuerten“ Mini. Um sie alle zu finden, muss man allerdings ganz genau hinsehen!

Die Anlage besitzt auch eine wechselnde Tag- und Nachtbeleuchtung mit passend dazu auf die Rückwand projiziertem Hintergrund und Sound – die perfekte Illusion!

Fazit: Ein Besuch im Göppinger „Märklineum“ lohnt sich auf jeden Fall! Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein leckeres Stück Kuchen im Museums-Bistro und fuhren anschließend weiter zu unserem Hotel in der Göppinger Innenstadt.

Bereits in der Eingangstür hing ein Plakat der Frisch Auf-Frauen, auf dem die Begegnung gegen die HSG als „XXL-Spiel“ angekündigt wurde – besonders auf die versprochene „exklusive Enthüllung“ waren wir alle schon sehr gespannt!

Nach dem Bezug unserer Hotelzimmer ging es deshalb gleich weiter zur EWS-Arena, die mit ihren 5.600 Zuschauerplätzen von den Frisch Auf-Männer- und -Frauenteams gemeinsam genutzt wird. In der riesigen Halle sah man sofort den Unterschied: Wo sich vor gut fünf Jahren gerade mal 500 Zuschauer verlaufen hatten, wollten sich diesmal 3.352 Besucher das letzte Meisterschafts- Hauptrundenspiel ihres Teams nicht entgehen lassen. Dieser enorme Zuschauer-Zuwachs innerhalb weniger Jahre hat seinen Grund in einer komplett veränderten Philosophie der Göppingerinnen: Statt sich wie früher vor allem auf „Legionärinnen“ aus Osteuropa zu verlassen, setzen der Verein und Trainer Nico Kiener seit einiger Zeit fast ausschließlich auf Spielerinnen aus der Region. Das sorgt – zusammen mit der Aufstiegs-Euphorie der Vorsaison und einem attraktivenTempohandball – für eine ganz andere Identifikation des Publikums mit dem Team und damit für eine „volle Hütte“: Die Frisch Auf-Frauen liegen in dieser Saison mit durchschnittlich 2.321 Zuschauern pro Heimspiel an der Spitze der HBF-Besucherstatistik, in der die HSG mit 771 Gästen übrigens nur den zehnten und damit drittletzten Platz belegt. Unser Team war also gewarnt – leicht würde es in diesem Hexenkessel nicht werden, zumal die Gastgeberinnen den achten Tabellenplatz, der zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt, noch nicht ganz sicher hatten.

Doch der HBF-Spielplan und eine Buspanne des „HSG-Express“ auf dem Weg nach Göppingen, weswegen das Spiel eine Dreiviertelstunde später angepfiffen werden musste, kamen unserem Team ungewollt zur Hilfe: Das letzte THC-Spiel in Zwickau war auf Mittwoch vorverlegt worden, so dass die HSG schon im Vorfeld wusste, dass sie zum Erreichen von Platz drei mit mindestens vier Toren Differenz gewinnen musste – dann wäre man in Punktestand und Tordifferenz mit dem THC gleichauf, hatte aber den direkten Vergleich in Summe von Hin- und Rückspiel gewonnen und hätte somit die Nase vorn. „Dank“ der Panne auf dem Weg nach Göttingen und des verspäteten Anpfiffs stand das Endergebnis der Partie Ludwigsburg-Neckarsulm schon zur Halbzeit in Göppingen fest – demnach konnte Frisch Auf auch mit einer Niederlage gegen die HSG nicht mehr vom achten Tabellenplatz verdrängt werden.

Anders als beim Hinspiel in Blomberg Anfang Januar war diesmal auch Göppingens Kreisläuferin Luisa Schulze mit dabei, während auf Blomberger Seite Nieke angeschlagen war und nicht mitwirken konnte. Dafür stand Diana erstmals seit ihrem Mittelfußbruch in Ungarn im Januar wieder im Kader, wurde aber nicht eingesetzt. Das Göppinger 4:3 in der 6. Spielminute sollte für ganze neun Sekunden der einzige Rückstand der HSG während des gesamten Spiels bleiben, bevor Lisa Rajes im Gegenzug wieder ausglich. Göppingen blieb im weiteren Verlauf der 1. Spielhälfte aber an der HSG dran – dass Blomberg überhaupt beim Stand von 15:17 mit einem Zwei-Tore-Vorsprung in die Pause gehen konnte, lag vor allem an Ida, die den Part von Nieke als Goalgetterin nahtlos übernahm und in Hälfte eins bereits sieben (!) Blomberger Treffer erzielt hatte. In der Halbzeitpause stellte sich dann Göppingens vorab angekündigte „exklusive Enthüllung“ als Präsentation des neuen Vereinslogos der Frisch Auf-Frauen ab der nächsten Saison heraus – wer also die Verpflichtung einer ehemaligen Welthandballerin oder etwas ähnlich Spektakuläres erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht …

In Hälfte zwei gelang es der HSG bei Lauras 15:19 erstmals, den für den 3. Platz nötigen Vier- Tore-Vorsprung herauszuspielen, aber Frisch Auf ließ sich weiterhin nicht abschütteln. Auf beiden Seiten häuften sich Mitte der 2. Halbzeit die Fehlwürfe, doch nach Lisa Freys 18:22 in der 46. Minute lag die HSG immerhin durchgehend vier Tore vorn – bis ausgerechnet Ann Kynast in der letzten Spielminute das Göppinger 25:28 erzielte. Doch zum Glück stellte Andrea umgehend zehn Sekunden später den alten Abstand wieder her. Ihr Tor zum 25:29 bedeutete gleichzeitig den Endstand, denn Göppingens letzter Wurf von Luisa Schulze landete im Blomberger Block. Die HSG konnte sich wieder einmal in erster Linie bei der überragenden Ida bedanken, die insgesamt 10 Tore zum Sieg beisteuerte. Ona verwandelte alle vier Blomberger Siebenmeter souverän, während die Gastgeberinnen Pech mit insgesamt fünf Latten- und Pfostentreffern hatten. Wir gratulierten unserem Team, machten ein gemeinsames Foto und verabschiedeten uns aus der EWS-Arena. Handball gucken macht hungrig – und da wir das wussten, hatten wir uns vorab einen Tisch im Brauhaus nahe des Göppinger Bahnhofs reserviert. Bei leckerem schwäbisch- bayrischen Essen und vor Ort gebrautem Bier feierten wir die HSG-„Punktlandung“ auf dem dritten Platz der Hauptrunden-Abschlusstabelle.

Am nächsten Morgen gab es zur Abwechslung erst mal wieder ordentlich was zu essen – das Frühstück im Hotel ließ wirklich keine Wünsche offen. Wie schon vor gut fünf Jahren machten wir erneut auf der Rückfahrt Station in Rothenburg ob der Tauber – die mittelalterliche Altstadt gehört zu Deutschlands Top-Sehenswürdigkeiten und ist immer einen Besuch wert.

Jeder Besuch in Rothenburg beginnt mit einem Spaziergang auf der Stadtmauer. Nachdem wir beim letzten Mal die überaus engen und steilen Treppen und Leitern des Rathausturms bestiegen hatten, machten sich zwei von uns jetzt an den (vergleichsweise harmlosen) Aufstieg über 138 Stufen zur Turmstube des zweiten begehbaren Turms der Stadt, des 1390 erbauten Röderturms in der Stadtmauer. Der Panoramablick von da oben über die Altstadt ist sehenswert!

Unser eigentliches Ziel war diesmal das „Mittelalterliche Kriminalmuseum“, in dem unter anderem mit Folter- und Henkerswerkzeugen oder Schandmasken die Entwicklung der Rechtsprechung im Mittelalter aufgezeigt wird. Europas bedeutendstes Rechtskundemuseum ist inzwischen über 100 Jahre alt und wurde 2021 beim Voting der Deutschen Zentrale für Tourismus sogar zum beliebtesten Museum Deutschlands gewählt. Auf mehreren Ebenen (die historischen Folterinstrumente werden passenderweise im Keller ausgestellt) erfährt man viel Neues zu Themen wie „Hexenverfolgung“, „Inquisition“, „Henkersmahlzeit“ oder „Pranger“, kann bizarre „Halsgeigen“ für Ehrenstrafen oder alte juristische Original-Dokumente bestaunen.

Wir fanden dieses „etwas andere Museum“ jedenfalls sehr interessant und können es nur wärmstens weiterempfehlen.

Vom Museum war es nur ein Katzensprung bis zum Marktplatz mit dem historischen Rathaus und dem weißen Rathausturm dahinter.

Auf dem Rückweg zu unserem Bulli machten wir noch eine Pause in einem kleinen Café, bevor wir durch das Galgentor die Altstadt verließen.

Der Rest der Rückfahrt nach Blomberg verlief zügig und staufrei, so dass wir noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück in Lippe waren.

Mit dem Abschluss der Bundesliga-Hauptrunde ist es Zeit für ein wenig Saison-Statistik: Bei zehn von elf Bundesliga-Auswärtsspielen war die Fanbase zur Unterstützung vor Ort – nur zum Mittwochsspiel in Bensheim am 12. Februar haben wir es leider nicht geschafft. Allein für diese zehn Fanbase-Auswärtsfahrten kamen hin und zurück insgesamt 6.500 Kilometer zusammen. Rechnet man noch die vier Auswärtsspiele der EHF-European League, bei denen wir vertreten waren, sowie das Pokal-Final Four in Stuttgart dazu, werden die Zahlen wirklich beeindruckend: Bis heute wurden insgesamt 13.120 Straßen- und Bahnkilometer zu 15 HSG-Auswärtsspielen zurückgelegt, verteilt auf zehn Tages- und vier Zweitagesfahrten sowie eine Dreitagestour nach Mosonmagyaróvár. Und die Saison ist ja noch nicht vorbei: Zumindest zwei weitere Fahrten nach Oldenburg und Graz folgen noch und bringen die gesamte Fanbase-Leistung in dieser Saison dann auf mindestens 15.560 Kilometer. Auch wenn nicht jeder bei allen Fahrten dabei war: Auf diese Zahlen können alle Mitfahrer stolz sein! Die erfolgreichste HSG-Saison aller Zeiten bricht also auch bei der Fanbase alle Rekorde …